Vorbemerkung zu Mengeneinheiten
Eine Bestandsaufnahme radioaktiver Abfälle ist mitunter schwierig, da in verschiedenen Dokumenten nicht mit den selben Mengenbezeichnungen gearbeitet wird. Hier die verschiedenen Maßeinheiten:
Tonnen Schwermetall: Speziell für abgebrannte Brennelemente wird die Maßeinheit „Tonnen Schwermetall (t SM)“ benutzt. Das Metall der Hüllrohre, Abstandhalter, etc. wird dabei nicht mitgerechnet. 1 t SM sind also 1000 kg abgebrannte Brennelemente.
Glaskokillen: Die bei der Wiederaufarbeitung entstehenden hochradioaktiven Abfalllösungen werden ebenso wie die mittelradioaktiven Abfälle vorbehandelt und verglast und in zylinderförmige Kokillen verfüllt. Diese Kokillen haben einen Durchmesser von 43 cm, sind zwischen 1,34 und 1,50 m hoch und enthalten zwischen 150 und 180 Litern radioaktives Glas. Solche hoch- und teilweise mittelradioaktiven Wiederaufarbeitungsabfälle werden in Stückzahl Glaskokillen angegeben.
Schwach- und mittelradioaktive Abfälle - Tonnen, Stückzahl oder Kubikmeter: Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle werden meist in Kubikmeter angegeben, aber auch in Tonnen oder Anzahl der Gebinde. Das Abfallverzeichnis der Bundesregierung verwendet alle Maßeinheiten, gibt Rohabfälle und vorbehandelte Abfälle in Tonnen, konditionierte und sogenannte „Endlagergebinde“ in Stückzahl und Kubikmeter an: „Die Menge an Rohabfällen und vorbehandelten Abfällen wird als Masse angegeben, da das Volumen dieser Abfälle durch die Konditionierung in der Regel noch reduziert wird und daher keine Rückschlüsse auf das Endlagervolumen erlaubt. Die konditionierten Abfälle werden als Volumina angegeben, da sich hier das zu erwartende Endlagervolumen in der Regel nur noch durch das Verpacken der Abfallprodukte in Endlagerbehälter vergrößert, nicht aber durch Veränderungen des Abfallproduktes selbst.“ [1]
Eine lückenlose Erhebung der Menge an in der BRD angefallenen und künftig anfallenden radioaktiven Abfälle existiert bisher nicht. Die erste standortscharfe, bemüht umfassende, aber trotzdem lückenhafte Erhebung erfolgte im September 2013 mit „Atommüll - eine Bestandsaufnahme für die Bundesrepublik Deutschland“ der Atommüllkonferenz. [2] Im August 2014 folgte die Bundesregierung mit ihrem ersten offiziellen, standortbezogenen Verzeichnis radioaktiver Abfälle. [3] Die Erhebung dieses Verzeichnisses war notwendig geworden, da die Richtlinie 2011/70/EURATOM [4] die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet hatte. Sie ist jedoch ebenfalls lückenhaft, denn bis zum 20.11.2015 gab es keine Auskunftspflicht der Abfallverursacher. Erst mit der Umsetzung der Richtlinie in das Atomgesetz am 20.11.2015 wurden die Abfallverursacher zu Auskünften über die angefallenen radioaktiven Abfälle und zu Prognosen über den künftigen Anfall gesetzlich verpflichtet (AtG § 2c, Abs.4). [5] Die Bestandsaufnahme der Bundesregierung wird künftig im Abstand von drei Jahren erhoben.
Es gibt jedoch auch bewusste Lücken: So fehlen die radioaktiven Abfälle, die juristisch zu nicht-radioaktiven Abfällen umdefiniert werden, wie freigegebene Abfälle und Abfälle im Zusammenhang mit der Sanierung der Wismut GmbH.
Bis zum 31.12.2013 waren in Deutschland insgesamt 15.075,6 t SM in Form von abgebrannten Brennelementen aus Leistungsreaktoren (inklusive der Versuchs- und Prototypreaktoren) angefallen.
Davon wurden ins Ausland gebracht: [6]
192,3 t SM wurden in der WAK Karlsruhe wiederaufgearbeitet.
Die abgebrannten Brennelemente aus Forschungsreaktoren wurden zur Wiederaufarbeitung bzw. Verbleib in die USA, nach Russland und nach Dounreay (Schottland) verbracht bzw. in der WAK Karlsruhe wiederaufgearbeitet. Die Brennelemente des Nuklearschiffes Otto-Hahn wurden im französischen Cadarache wiederaufgearbeitet.
Obwohl die Wiederaufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe seit dem 01.07.2005 per Atomgesetz verboten ist, plant die Bundesregierung, die Brennelemente aus den Hochtemperaturreaktoren AVR Jülich (2 t SM in 152 Behältern) und THTR Hamm-Uentrop (7 t SM in 305 Behältern) in die USA zu verbringen, um sie dort aufzuarbeiten und dauerhaft lagern zu lassen. [7]
Die Bundesregierung rechnet mit insgesamt ca. 10.500 t SM, die nicht ins Ausland verbracht und nicht wiederaufgearbeitet wurden, die in ca. 1.100 Behältern (ohne die Behälter für die HTR-Brennelemente) zwischengelagert werden müssen. [1] Dazu kommen aus Forschungsreaktoren: 7 t SM in 18 Behältern aus Rossendorf, ca. 6 t SM vom FRM II, ca. 0,1 t SM vom BER II und 0,8 t SM (plus X) vom TRIGA Mainz.
Aus der Wiederaufarbeitung rechnet die Bundesregierung mit folgenden, bereits in der BRD lagernden oder noch zurückzuführenden Abfällen:
Als einziges Land unterscheidet die Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre zwischen Wärme entwickelnden Abfällen und Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. „Diese Einteilung resultiert aus dem Planfeststellungsverfahren Schacht Konrad. Die Begrenzung der thermischen Beeinflussung des Wirtsgesteins auf 3 Kelvin am Stoß (Seitenwand des Grubenbaues) war eine der ersten Bedingungen, die für das Endlager Konrad entwickelt wurde." [8]
Für die Wärme entwickelnden Abfälle prognostiziert das Bundesamt für Strahlenschutz:
Gesamt: 28.100 m³ [9]
„Nicht nachvollziehbarerweise werden vom BfS keine Volumina für hochradioaktive Abfälle angegeben, die beim Abbau des Reaktordruckbehälters und den Kerneinbauten im Rahmen der Stilllegung anfallen.“ [10]
Die Bundesregierung gibt den Bestand an sonstigen radioaktiven Abfällen zum 31.12.2017 wie folgt an: [1]
Die Einteilung in „konditionierte Abfallprodukte“ und „Endlagergebinde“ wirft insofern Fragen auf, als das Bundesumweltministerium drei Absätze weiter selbst schreibt, dass bisher nur für ca. 3.000 m³ radioaktiver Abfälle die Einhaltung der Endlagerungsbedingungen Konrad bestätigt wurde.
Zudem ist die Aufstellung nicht vollständig. So fehlen beispielsweise die über 8.000 Gebinde mit vorkonditionierten und konditionierten Abfällen der Fa. Eckert und Ziegler Nuclitec in ihrem Außenlager Leese.
Das Bundesamt für Strahlenschutz prognostiziert bis zum Jahr 2060 ca. 300.000 m³ Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung mit folgender Herkunft: [9]
Mit dieser Aufstellung deckt das BfS die Abfälle ab, die in Schacht KONRAD eingelagert werden sollen. Es gibt jedoch nennenswerte Chargen an radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, die in KONRAD gar nicht eingelagert werden dürften:
Ob folgende radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, die nicht in Schacht KONRAD eingelagert werden dürften, bereits in der Abfallprognose des BfS enthalten sind, ist unklar: [10]
Nicht in der Aufstellung des BfS enthalten sind folgende Abfallchargen:
Fazit: Es fallen mehr als doppelt so viele radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung an wie laut Genehmigung in das alte Eisenerzbergwerk Schacht KONRAD eingelagert werden dürften.
In der offiziellen Abfallerhebung fehlen völlig die radioaktiven Abfälle, die bereits im alten Salzbergwerk Morsleben eingelagert worden sind:
Hinzu kommen radioaktive Abfälle die in Morsleben zwischengelagert wurden, obwohl deren dauerhafte Lagerung von der Genehmigung nicht abgedeckt gewesen ist.
Beides zusammen macht etwa die Hälfte der Aktivität in Morsleben aus. Trotz fehlender Genehmigung und trotz der Unfähigkeit, einen Langzeitsicherheitsnachweis für Morsleben zu erstellen, möchte der Betreiber, das BfS, diese zwischengelagerten Abfälle dauerhaft in Morsleben belassen.
In Deutschland wird seit der Neuregelung der Strahlenschutzverordnung 2001 höchstes Augenmerk darauf gerichtet, die anfallenden Abfälle soweit zu behandeln, dass das Volumen der als radioaktive Abfälle zu behandelnden Reststoffe so gering wie möglich ist. Denn bisher werden die Kosten für die spätere „Endlagerung“ nach Volumen berechnet (Schacht KONRAD 25.000,- €/m³). Die Abfälle werden dekontaminiert und konditioniert. Nur eine geringe Menge wird weiter als radioaktiver Abfall behandelt, große Mengen werden freigegeben, d.h. aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes entlassen. Diese Abfälle werden entweder wiederverwertet (z.B. Straßenbau, Schrottrecycling) oder auf Mülldeponien gelagert.
Beispiel für die Mengen der anfallenden Abfälle - Rückbau AKW Esenshamm (Unterweser): [11]
Angesichts von 33 Atomkraftwerken, die im Rückbau sind, zum Rückbau anstehen oder in den nächsten Jahren stillgelegt werden sollen, handelt es sich um die enorme Menge von bis zu 6,2 Mio t freigegebenen schwach strahlenden Reststoffen, die wiederverwertet, verbaut oder deponiert werden sollen. Dazu kommen noch die freigegebenen Abfälle aus dem Betrieb und aus dem Rückbau der weiteren Atomanlagen, wie den Forschungszentren, Konditionierungsanlagen, etc.
Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fallen vor allem die Abfälle aus der Uranproduktion der ehemaligen SDAG Wismut in Sachsen und Thüringen ins Gewicht: ca. 3.700 ha radioaktiv kontaminierte Halden, Absetzanlagen und Betriebsflächen, über 300 Mio. m³ Bergematerial auf ca. 48 Halden abgelagert, 160 Mio. m³ Schlämme mit radioaktivem Material und anderen Schadstoffen sowie die Altlasten von ca. 1.900 Altstandorten. Dazu kommt in Baden-Württemberg die Halde Krunkelbach aus der Uranförderung in Menzenschwand und Haldenablagerungen im Müllenbach- und Sauersboschtal, in Rheinland-Pfalz die Abfälle aus der Uranerzaufbereitungsanlage in Ellweiler und in Bayern mehrere Halden in Oberfranken und der Oberpfalz, ca. 69.000 t. [12]
Zusätzlich zu diesen radioaktiven Schlämmen und Haldenmaterial hat die Bundesregierung über die Wismut GmbH radioaktiv kontaminierten Schrott und Bauschutt aus den obertägigen Anlagen, der nicht freigegeben werden konnte, einfach in die sanierten Halden und Absetzbecken mit eingelagert. Die genaue Menge ist nicht bekannt. In der Absetzanlage Helmsdorf wurden beispielsweise 21.000 t radioaktiv kontaminierter Schrott und 49.000 t radioaktiv kontaminierter Bauschutt eingelagert. [13] Damit entstanden oberflächennahe Endlager. Auf die Frage nach einem Planfeststellungsverfahren, nach einem Langzeitsicherheitsnachweis und einer Öffentlichkeitsbeteiligung erklärte die Bundesregierung im Dezember 2013: Da für die Sanierung der Wismut-Standorte das Strahlenschutzrecht der DDR weiter gelte „...handelt es sich bei dem eingelagerten Schrott nicht um radioaktive Abfälle im Sinne des Atomgesetzes.“ [14]
[2] Ursula Schönberger: „Atommüll – Eine Bestandsaufnahme für die Bundesrepublik Deutschland – Sorgenbericht der Atommüllkonferenz“, Braunschweig September 2013
[9] www.bfs.de: Abfallprognosen
[13] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: „20 Jahre Wismut GmbH“, Berlin, März 2011
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